Der Schweiss tropft von der Stirn, die Jacke ist über die Lehne des beinahe glühenden Metallstuhles gelegt und ich bereute, in letzter Sekunde vor dem Verlassen des Hauses, doch noch die langen Hosen angezogen zu haben. Von Eishockeywetter kann an diesem Samstag Nachmittag also beim besten Willen nicht die Rede sein. Im Gegenteil, die Sonne knallt mit voller Härte auf den Wuhrplatz und der Wetterbericht auf dem iPhone sagt auch für die nächsten Tage frühlingshafte Bedingung hervor. Wie soll man sich da bitte vernünftig auf das nächste Saisonhighlight, das Cupspiel gegen den SC Bern vorbereiten?
Eine Aufgabe, mit der man ohnehin schon seine liebe Mühe haben kann. Das 1/16-Finalspiel gegen die Haupt-städter, das ist so sicher wie die Gegenstandwürfe im Kleinholz, wird bereits das Aus im
Cupwettbewerb der Saison 2015/16 bedeuten. Sportliche Ambitionen sind also kaum vorhanden und auch andere Eigenschaften des Cups trüben die Freude über das erhoffte Hockeyfest. Der Veranstalter
des Turnieres ist die Vermarktungsagentur InFront-Ringier, was für die Organisatoren im Vordergrund steht, ist von vorneherein klar. Es geht darum, den Eishockeysport mit allen Mitteln zu
verkaufen.
Dies macht sich schon beim betreten des Stadions bemerkbar. Freundlich lächelnd stehen an jedem Eingang zwei junge Damen in Firmenjacken, die jedem Zuschauer ein Fähnli in die Hand drücken, damit
dieser es doch
vor den laufenden Kameras mit verzücktem Gesicht schwenken möge und dabei auch noch flott Werbung für ein Grossstädtisches Versicherungsunternehmen mache. Die Bandenwerbung wurde temporär mit
jener der Geldge-ber des Wettbewerbs überklebt, da die penetrante Präsenz auf den speziellen Cup-Trikots, der eigens für das Event neu angelegten Werbung auf dem Spielfeld, den Eintrittskarten,
der Interviewwand, den Helmen der Akteure, den Blockern der Goalies, den Pausenspielen, der Website, der Facebookseite des Verbandes, den Videointros und sogar leuchtenden Hausfassaden nicht
ausreichend zu sein scheint.
Das der offizielle Medienpartner die „Zeitung“ mit den grossen Buchstaben ist, passt bestens ins Bild (logisch, wegen Ringier und so....). Die dortigen Schreiberlinge sind bekanntlich Meister im
Schönreden und feierten den Cup bereits vor Beendigung der ersten Ausgabe als vollen Erfolg. Das obwohl die vielbeschworenen Volksfeste in der „Hockeyprovinz“, sprich alles ausser der NLA, wohl
eher ausblieben. Zwar durften sich die wenigen auserkorenen Regio-League Clubs teilweise über die eingeschenkten Stängeli freuen oder 9:1 Klatschen gegen B-Ligisten bejubeln, dennoch durften die
Duelle mit Unterklassigen als wohl würzig bezeichnet werden. Selbst das Zuschaueraufkommen überraschte die Veranstalter. So lockte die 1/8-Finalbegegnung zwischen dem HC Fribourg Gottéron und dem
HC Ambri-Piotta nur gerade 1899 Personen in die Patinoire de Saint-Léonard. Für das Viertelfinalspiel zwischen Ambri und dem EHC Kloten verloren sich ebenfalls nur gerade 3637 Zuschauer in die
Valascia. Zahlen die bei jedem Meister-schaftsspiel der gleichen Mannschaften ein schlechter Witz wären, hatte Fribourg doch noch im letzten Heimspiel der Regular Season, gegen den EHC Kloten,
als das verpassen der Playoffs längst feststand einen drei Mal so gros-sen Zuschauerauflauf! Selbst unser SC Langenthal füllte die Halle gegen einen oberklassigen Gegner nur gerade eben so mit
2000 Zuschauern.
Zu guter Letzt fehlt dem Cup auch noch eines der wichtigsten Merkmale, im Vergleich mit seinem Pendant aus der Fussballwelt, mit dem sich die Eishockey-Variante gezwungenermassen vergleichen
lassen muss - Die mögliche Reise ins ungewisse, der Reiz des Unbekannten. Durch die Einteilung in regionale Gruppen, sind in der ersten Runde nur Gegner möglich, die mehr oder weniger in der
Region liegen. Darüber hinaus sind die unterklassigen Mannschaften heimberechtigt, die Möglichkeit neue Stadien zu entdecken und eine gediegene Cupreise zu erleben ist entsprechend gering. Doch
durch genau solche Fahrten wird der Cup erst richtig zum Cup. Aus Sicht der Fanszene ist ein Auswärtsspiel in Biasca attraktiver als ein Heimspiel gegen den SC Rapperswil-Jona oder die Mutzen. Es
fehlt der Kick, das Gefühl einen neuen Gästesektor zum allerersten Mal vollzuklebern und neue Geschichten zu schreiben, die an einem Heimspiel, oder einem Match im gleichen Gästesektor, den man
pro Saison ohnehin schon drei Mal besucht, einfach nicht geschehen können (oder wollen).
Da die Teilnehmer aus der 1. Liga allesamt in der ersten Runde scheitern, bringt es auch nicht viel, dass der Regionen-Bann ab Runde zwei aufgehoben wird. Bestenfalls geht es in ein altbekanntes NLB-Stadion. Nun, wir sind ja keine verblendeten Nostalgiker, die am liebsten in Werbefreien Trikots auf reinen Eisflächen spielen lassen würden (na ja, ein bisschen vielleicht). Uns ist durchaus bewusst, dass der Profisport vom Marketing lebt und Werbung im Stadion ein notwendiges Übel ist. Auch wissen wir, dass das Geld für den Cup irgendwo herkommen muss und man deshalb möglichst viel davon einzunehmen versucht. Allerdings stellen wir uns die Frage ob es denn wirklich eine Notwendigkeit ist, diesen Cup so auszutragen. Um diese Frage schlüssig zu beantworten, muss man dem K.O.-Wettbewerb auch einige positive Eigenschaften attestieren.
So waren die Spiele der 1. Ligisten tatsächlich grösstenteils relativ gut besucht und auch über die Stimmung in den Stadien kann man sich nicht beschweren. Mit dem EHC Visp hat es sogar ein
NLB-David fertiggebracht den A-Klassigen Goliath aus dem Turnier zu kegeln. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Mannschaft des unterlegenen HC Davos an die Sache gieng, hielt sich jedoch in engen
Grenzen. Mit dem verspäteten Eintreffen des Klotner Team-busses beim Cupfinal in Bern, wurde das Schweizer Eishockey zudem um eine kleine Anekdote reicher.
Die Antwort auf die oben gestellte Frage muss daher jeder für sich selbst finden. Fakt ist, dass der Cup ausgetragen wird, was für uns in der Streetside heisst: 60 Minute Vougas füre SCL, 60
Minute Vougas füre Sieg!
Veröffentlicht im Schlittjournal vom 30. September 2015