Sonntagmittag, ein Sonnenstrahl blitzt durch die Fensterläden als ich blinzelnd meine verschlafenen Augen öffne. Verwirrt suche ich den Wecker. 13:23 Uhr. Ich setze mich auf die Bettkante und spüre sofort ein dumpfes Brummen im Schädel. Wo war ich letzte Nacht? Kreuzhofbar? Hofbar? Chrämerhuus? Oder doch in der Markthalle am Oktoberfest? Keine Ahnung. Auf dem Fussboden entdecke ich meinen gelb-blauen Schal, daneben eine in wohl etwas flüssigem wie Bier getränkte Jacke. Jetzt kommts wieder: Gestern war Derby!
Gute 27 Stunden zuvor: Nach einem gemütlichen Freitagabend und ausgiebig Schlaf mache ich mich schon früh auf die Socken in die Innenstadt. Kurz Einkäufe erledigen und in einem der gemütlichen Langenthaler Kafi’s das Wetter geniessen. Dann nochmal nach Hause ein wenig ausruhen. Aber schon jetzt frühmorgens bin ich bis in die Zehenspitzen motiviert, denn: Heute ist Derby! Kurz nach Mittag geht’s, bewaffnet mit Schal und geölter Stimme, zum Treffpunkt. Ein paar Bier und andere Genussmittel später steigt die Stimmung nochmals erheblich an, die Anspannung und Nervosität genauso. Im Verlauf des Nachmittags treffen die Freunde aus Heilbronn mit zwei Autos in Longvalley ein. Nach herzlichen und ausgiebigen Begrüssungen machen wir uns auf den Weg zum Schorentempel. Noch circa eine Stunde bis Spielbeginn. Nach belächeln des Oltner Haufens beim ufenschnooggen auf den Schorenhoger und anschliessendem Materialcheck nehmen wir unseren Platz in der Kurve ein. Dann endlich, pünktlich um fünf vor halb, betreten unsere Helden das Eis. Bereits zwei Mal konnten wir die Mäuse dieses Jahr lynchen und damit schon 2 Derbysiege einfahren. Nun steht das erste Aufeinandertreffen in den eigenen 4 Wänden an.
Es ist noch keine Minute rum als plötzlich Holzfäller Primeau alleine vor dem Oltner Gehäuse auftaucht und eiskalt einschiebt. Was für ein Start! Pure Ekstase! Leider hält die Freude nicht lange und bereits 50 Sekunden später leuchtet die 1 auch bei auf der anderen Seite der Anzeigetafel. Mist! Doch die Langenthaler fangen sich und nach 7 Minuten klingelt’s schon wieder. Tor für den SCL! Ein blitzschneller Konter, Triulzi legt auf und Füglister hämmert die Scheibe direkt ins Oltner Fanherz - Wahnsinn! Der Bursche springt, stolz über beide Ohren, ans Plexiglas hoch was die Streetside völlig zum Ausrasten bringt. Mit dem 2:1-Vorsprung gehen wir in die Drittelspause. Doch in der Startphase des Mitteldrittels muss plötzlich Mathis hinter sich greifen. Ausgleich. Tristesse pur, Hass. Der Capo versucht die Heimkurve trotz diesem Dämpfer zu motivieren und die Mannschaft zum nächsten Tor zu schreien.
Dann, in der 31. Minute ist es soweit: Kämpf auf Pass von Migu Minder netzt wunderschön von der blauen Linie ein. Jubel brandet durch die Kurve. 5 Spielminuten später ist es Campbell’s Jeff, der in Überzahl mit einem Knaller den Schlussstand markiert. Spätestens als Machinegun-Kelly seinem Namen jede Ehre macht und die Fäuste fliegen lässt, gibt es kein Halten mehr und das letzte Drittel verkommt zur Kür für unsere Jungs. Ich schaue in strahlende Gesichter und rege mich über die Derby-Eventies auf, die mitten in der Kurve stehen und das Smartphone auch in diesem Moment an der Nase kleben haben. Emotionen und Hockeytage wie ich sie einfach liebe. Nach dem Spiel werden die Jungs und Mädels aus Heilbronn zum Auto begleitet. Die Nacht startete irgendwo zwischen Essen in einer Dönerbude und Whiskey in einem lokalen Gasthaus und endete irgendwo…naja…wenn ich das noch wüsste. Ich stehe von der Bettkante auf und freu mich, erst mal meine Blase zu leeren.
Veröffentlicht im Schlittjournal vom 31. Oktober 2015